Skopje

Skopje könnte ein guter Ort sein. Skopje hat sogar beste Voraussetzungen, ein ganz hervorragender Ort zu sein: ein türkisches Basarviertel, alte Moscheen, Hamams, eine Burg, Fleischgerichte. Sogar einiges an jugoslawischem Futurismus, den mag jeder. Aber Skopje hat sich entschieden, den Weg der Würdelosigkeit zu gehen.

Mit dem Alter von Menschen und dem Alter von Städten verhält es sich genau gegensätzlich. Die meisten Menschen versuchen, ihre Alterung aufzuhalten, zu verzögern oder, wenn gar nichts mehr hilft, künstlich zu bezwingen. Bei Städten dagegen ist das hohe Alter das Erstrebenswerte. Da werden Denkmäler geschützt und Stadtschlösser wiedererrichtet. Denn Städte sollen alt sein, und daran ist nichts verkehrt. Außer, die Städte schummeln beim Alter. Städte, die Alter simulieren, wo keines ist, sind wie die betagten Damen mit Schlauchlippen auf dem Kudamm, die schon seit den Achtzigern neununddreißig sind. Historismus ist das Botox unter den Baustilen. Willkommen in Skopje.

Ich stelle mir die jüngste Geschichte von Skopje ungefähr so vor:

Bürgermeister: „Wir sind jetzt die Hauptstadt eines europäischen Landes. Herr Stadtplaner, verwandeln sie mein Skopje in so etwas wie Rom, Athen oder Paris.“
Stadtplaner: „Aber diese Städte haben viel mehr Geschichte vorzuweisen.“
Bürgermeister: „Es wird sich doch ein bisschen Geschichte auf diesem Stück Land finden lassen, das wir Mazedonien nennen! Dieser Alexander der Große kam doch hier aus der Gegend. Und jetzt gehe und baue meine Stadt neu!“
Stadtplaner: „Aber wir haben auch nicht das Geld, um das gesamte Stadtbild umzugestalten. Für Boulevards und Wohnviertel und Kirchen und…“
Bürgermeister: „Quatsch! Baue Denkmäler, denn Denkmäler sind billig.“
Stadtplaner: „Aber für Denkmäler braucht es Künstler. Und gute Künstler sind teuer.“
Bürgermeister: „Erneut Quatsch! Das kann mein Sohn machen. Der pubertiert gerade, da hat er genau die richtigen ästhetischen Vorstellungen für mein Skopje.“
Stadtplaner: „Okay, ich werde die Stadt von ihrem pubertierenden Sohn umgestalten lassen.“

IMG_1645Skopje sieht aus wie ein Airbrushgemälde. Das man über ein altes Ölbild gesprüht hat. Die Motive unterscheiden sich nur unwesentlich von denen, die man auf Motorradtanks oder Ersatzradboxen findet: Ritter mit Schwertern, sich aufbäumende Pferde, pralle Brüste in nassen Shirts. Ernsthaft! Auf einem Brunnen sitzen vier überdimensionierte Damen, allesamt gutbestückt, anstandshalber haben sie Kinder bei sich und stellen Mütter dar. Logisch! Auch beim reichlich obskuren Denkmal zweier Shopperinnen, immerhin das einzige nicht maßlos überdimensionierte, wurde auf die Ausprägung der sekundären Geschlechtsmerkmale geachtet. Danke, Skopje!

IMG_1640Das wohl stilloseste Denkmal Skopjes und damit der Welt (Las Vegas eingeschlossen) ist aber der nicht weniger als 13 Meter hohe Alexander der Große. Hier versucht die junge Nation, den Streit mit den Griechen um das historische Erbe des Feldherrn durch schiere Größe zu gewinnen. Denn wer am höchsten baut, der hat Recht (Quelle: Dubai). Und um noch mehr Recht zu haben, wurde die Statue auf einen zehn Meter hohen Sockel platziert. Der wiederum in einem Brunnen steht. In welchem Wasserspiele spritzen und bunte Lichter blinken. Schreibt die Geschichtsbücher um!

Doch riesige Statuen alleine machen eben doch noch keine Weltstadt. Deswegen setzt Skopje auf einige weitere Evergreens des historischen Städtebaus: Ein riesiger weißer Arc de Triomphe von gigantischer Größe mit Schlachtenbildern verziert – eine Karlsbrücke, beidseitig flankiert von zahllosen Statuen – gleich mehrere Genfer Springbrunnen im Fluss – ein überdimensionierter griechischer Tempel, der das archäologische Museum beinhaltet – und als Krönung des Ganzen vier riesige Restaurantschiffe. Aus Zement in den Fluss gebaute spanische Galeonen mit hoch aufragenden Segelmasten, offensichtlich unmittelbar im Zuge des Fluch-der-Karibik-Hypes konzipiert und ohne jeglichen historischen Bezug zum kleinen Binnenstaat. Skopje ist ein Museum des Hässlichen.IMG_1643

Apropos Museum: Das Kunstmuseum, das in einem wunderschönen alten Hamam untergebracht ist, schimmelt vor sich hin. Um hinein zu kommen muss man bei Regen durch knöcheltiefen Schlamm waten.

Fun Fact: Eurodisney ist fast genau gleich alt wie Mazedonien.IMG_1653

Neueste Kommentare

Ein Kommentar

  1. Dafur bestehen gute Chancen von den Bewohnern auf einen Kaffee eingeladen zu werden , sagt Carolin Weinkopf. Der Ort hat ein bemerkenswertes Denkmal eines mazedonischen Helden im jugoslawischen Stil, gute Infrastruktur, tolle Shoppingmoglichkeiten und ist beruhmt fur das Nachtleben.

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